Ein Statement

Gewisse Dinge müssen irgendwann einmal raus. Dieser Text ist eine Sammlung solcher Dinge. Es ist die Konsequenz aus einer ganzen Reihe von Erlebnissen und Situationen die manchmal – die richtige Ausgangslage vorausgesetzt – einfach nur nervig sind.

Dieser Text soll ein Statement sein – ein Appell an einen respektvollen und differenzierten Umgang mit den Menschen, die in der IT arbeiten und jeden Tag ihres Lebens damit verbringen, all die Systeme und kleinen Tools am laufen zu halten, die all den anderen Menschen das tägliche Geldverdienen, Arbeiten oder Spaß haben ermöglichen.
Mir ist bewusst das ich vermutlich keine all zu große Chance habe,all jene zu erreichen, für die die „EDV-Fuzzis“ nur ein lästiges, tägliches Ärgernis sind. Solche Menschen lesen keine Blogs. Sie sind meist nur acht Stunden des Tages Teil der digitalen Welt. Aber sie haben den Anspruch, das in diesen acht Stunden jedes noch so komplizierte System vollkommen intuitiv, absolut fehlerfrei und vollkommen robust gegen jede noch so haarsträubende Fehlbedingung, funktioniert. Für diese Menschen soll dieser Text sein. Für jene die mit dem „Wissen“ aufwachen, sie wären – weil sie dafür Geld bezahlen – die einzigen Kunden auf der Welt. Für jene, die eigentlich eh alles besser wissen und nur andere beschäftigen, weil sie selbst zu wichtig sind als das sie sich darum kümmern könnten. Dieser Text ist für diejenigen, die Zuhause eigentlich einen Kumpel haben, der das alles ja sehr viel besser und schneller machen könnte…

Die EDV-Betreuung ist keine exakte Wissenschaft. Diese Erkenntnis muss man irgendwann mal gewinnen – dann wird vieles verständlicher. Selbst wenn man sich mit diversen Dingen wirklich sehr gut auskennt, wird man nie an einen Punkt kommen an dem man jedes Problem in zwei Minuten auf Basis eher schwammiger Fehlermeldungen wie „Da kam eine Fehlermeldung die ich weggeklickt habe…“ am Telefon lösen kann. Wirklich, ich habe es versucht! Ich bilde mich jeden Tag wenigstens im kleinen Rahmen fort um genau an diesen Punkt zu kommen… Aber ich mache mir nicht mehr all zu viel Hoffnung. Dafür sind vielleicht einfach meine spirituellen Möglichkeiten zu eingeschränkt. Ich kann in der Regel einfach nicht durch Handauflegen oder starker Konzentration am Telefon erkennen, welche der circa 5000 möglichen Fehlerursachen denn jetzt die richtige ist. Und auch wenn das vielleicht unprofessionell klingt – ich bin tatsächlich auf sachdienliche Hinweise angewiesen. Fehlermeldungen die ein System ausgibt sind da schon ein Anfang. Meist – das muss ich zugeben – kein sehr hilfreicher. Aber dennoch können sie mich auf die richtige Spur bringen. Immer gemäß dem Motto: Irgendwas wird sich der Entwickler dabei gedacht haben das er das programmiert hat.
Es mag überraschend sein, aber das ignorieren solcher Fehlermeldungen ist nur selten das korrekte Vorgehen wenn die hochkomplexe Software irgendwas nicht richtig macht. Vom Support zu erwarten das er nach Aussagen wie „Hier geht nichts mehr„, sofort weiß das das einscannen nicht mehr funktioniert und nicht der Server in Flammen steht, ist ein bisschen viel verlangt. Aber natürlich ist es so, das derartige Fehlermeldungen nun wirklich ausreichen müssen damit Menschen wie ich binnen Sekunden per Telefon einen Fehler beheben können der vielleicht entstanden ist weil jemand schlicht eine Anforderung an ein System stellt, das dieser nicht nachkommen kann. Das wir dann wohlmöglich aufgrund unserer himmelschreienden Inkompetenz / fehlenden spirituellen Fähigkeiten auch noch zum Kunden hinkommen müssen, ist in sich schon eine Frechheit. Der Kumpel Zuhause macht das immer mit drei Klicks per Fernzugriff… Was schön für ihn ist, weil er das ja auf dem privaten Rechner macht der direkt am Internet hängt. Doof nur, wenn die Infrastruktur in der Firma doch gerade an diesen Stellen irgendwie anders ist. Aber wie können wir es uns auch nur wagen, die freiheitlich, demokratischen Rechte auf freie Kommunikation (per Facebook, ICQ und diversen anderen) und freie Pornographie Informationsbeschaffung durch so etwas überflüssiges wie Firewalls und Virenscanner zu beschränken? Und außerdem hat die Geschäftsführung die das angeordnet hat auch jemand ganz anderen damit gemeint.

In den vielen Situationen in denen es dennoch gelingt ein Problem telefonisch oder per Fernzugriff zu lösen – meist nicht in zwei Minuten – offenbart sich noch ein anderes Problem des IT-Supportes. Wir sind einzig und allein dafür da, euch die Zeit zu stehlen. Wir haben nämlich genug davon und uns ist den ganzen Tag langweilig. Deswegen ist es auch so unterhaltsam, die vom Benutzer gemachten Änderungen Stück für Stück wieder rückgängig zu machen – nach intensiver und investigativer Suche. Natürlich fragen wir vorher ob der Benutzer irgendwas gemacht hat. Aber das hat er natürlich nie. Absolut nie. Unter keinen Umständen! Okay… bis auf die wenigen Kleinigkeiten die wir dann nach eine halben Stunde Suche wieder rückgängig machen. Aber das waren ja auch keine wirklichen Änderungen. Nur so Ideen um den Ablauf ein bisschen runder zu gestalten. Das es hinterher wieder geht, ist aber reiner Zufall! Immerhin hat der Kumpel Zuhause das genau so empfohlen. Und der ließt immerhin Fachzeitschriften aus dem Springer-Verlag.
Ein anderes großes Problem des IT-Supports ist die Weigerung, für die eigenen Fehler einzustehen. Natürlich sind wir direkt an der Entwicklung einer jeden Software beteiligt. Und wenn diese nicht funktioniert, sollten wir unsere Schuld anerkennen, alles stehen und liegen lassen um das wieder hinzukriegen und natürlich keinen Cent dafür berechnen. Das gleiche gilt für Hardware. Wir haben sie entwickelt. Wir haben sie zusammen gelötet und dabei Fehler eingebaut. Das machen wir nur, um Geld zu verdienen und unsere Freizeit ein wenig auszudünnen. Deswegen ist es auch unbedingt angebracht und richtig, zu meckern nachdem man seinen Feierabend wenigstens teilweise geopfert hat um das Problem außerhalb der Geschäftszeiten des Kunden zu lösen. Die diesbezügliche Rechnung darf natürlich auch unbezahlt bleiben!

Gleiches gilt auch, wenn man den Kumpel ranlässt nachdem der „IT-Fuzzi“ zwei Tage damit verbracht hat das neues System aufzusetzen. Der Hinweis das die vollkommen veraltete Software nun wirklich kein guter Bestandteil des neuen Systems mehr ist, war eh nur ein Verkaufstrick. Läuft doch noch… und wenn nicht, und der Kumpel erst mal das AD auf links gedreht hat damit auch jeder Zugriff auf die Daten der Geschäftsführung hat, kann man uns zurecht dafür verantwortlich machen. Es ist auch vollkommen okay, die Sicherung ein bisschen zu optimieren und diverse Tools zu installieren – der neue Server war halt doch irgendwie nicht so schnell und TuneUp hat Zuhause ja auch geholfen… Mit Sicherheit auftretende Worst-case-Situationen werden wir schnellstmöglich und natürlich kostenlos erledigen.
Tatsächlich sind wir uns auch jederzeit bewusst, das unseren Job eigentlich jeder machen könnten. Ähnlich wie der des Fußballbundestrainers. Das es überhaupt Leute wie diese „IT-Fuzzis“ gibt liegt nur daran, das die Leute einfach was besseres zu tun haben. Hätten sie die Zeit, könnten sie den Job locker erledigen. Und zwischendurch wäre noch eine Lücke für Quantenphysik und Psychologie. Oder halt Fußballbundestrainer. Uns zu beschäftigen könnte also durchaus als karitative Handlung gewertet werden. Danke dafür!

Richtigstellung:

Ja, ich habe das ein bisschen überspitzt zusammen gefasst. Aber wer in der Branche tätig ist weiß auch, das ich damit nicht so weit weg von der Realität bin wie man vielleicht glauben könnte.
Trotzdem ist es mir wichtig deutlich auf eines hinzuweisen: Der überwiegende Teil der Kunden mit denen ich es zu tun habe, respektiert mich und das was ich tue! Dieser überwiegende Teil ist dankbar das ich mir manchmal Stress mache um das Problem – egal ob selbstverschuldet oder nicht – schnellstmöglich zu lösen. Dieser Teil der Kunden darf mich jederzeit duzen, mich um kurz nach fünf morgens anrufen und jederzeit erwarten das ich den Feierabend später einläute um irgendwas zu machen das ansonsten den Laden stilllegen würde. Diese Menschen, deren Respekt für meine Arbeit bisweilen bis zur Hochachtung reicht, sind hier nicht in einer Zeile erwähnt. Sie sind es nicht, weil es an unserem Verhältnis nichts gibt das mich belasten würde. Das gilt auch für Freunde oder Bekannte die mich um elf Uhr Abends anrufen dürfen weil sie irgendwas nicht hinkriegen.
Ich bin froh um all diese Kunden, Freunde und Bekannte. Sie geben mir das Gefühl, etwas sinnvolles in meiner Arbeitszeit zu tun.

Es gibt trotzdem die unrühmlichen Ausnahmen. Diejenigen die Anstoß zu diesem Text sind. Diejenigen, die immer wieder Probleme mit ihren IT-Betreuern haben. Diejenigen, die eine Software nach der anderen kaufen müssen weil niemand ihren Anforderungen gerecht wird. Diejenigen die es fertig bringen einem das Gefühl zu vermitteln, man persönlich wäre Schuld an der angespannten Situation der Firma. Diejenigen die über jede Rechnung diskutieren weil sie sich nicht mehr an die Planungen und Absprache erinnern können.
Ich verstehe eure Position bisweilen. Ich verstehe das es nervt wenn man im Job nicht weiter kommt weil die IT nicht mitspielt. Ich verstehe allerdings nicht, warum man ohne einen Einblick in das „große ganze“ zu haben, von vornherein erst mal den „IT-Fuzzi“ verantwortlich macht. An den heutigen Systemen sind viele hundert Komponenten beteiligt. Eine unüberschaubare Anzahl an Schräubchen und Zahnrädern die alle mehr oder weniger gut in einander greifen müssen damit ihr eure Aufgaben erledigt kriegt. Und da sind Sonderwünsche des Benutzers oder der Geschäftsführung noch nicht mal enthalten. Ebenso wenig das andauernde Diktat das das alles ja nichts kosten darf… Ich – und hier kann ich nur für mich sprechen – habe niemals irgendeinen Job bewusst schlecht gemacht! Ich habe immer versucht, aus den mir zur Verfügung stehenden Mitteln das Beste für den Kunden heraus zu holen. Wenn das aus irgendeinem Grund nicht klappt, ist es schlicht unfair die Schuld zuerst bei mir zu suchen. Wenn ich länger bleibe als geplant, dann nicht um euch das Geld aus der Tasche zu ziehen! Dann mache ich das, weil ich für mich selbst den Anspruch habe immer das bestmögliche Ergebnis abzuliefern. Wenn ich länger bleiben muss, dann ist das vielleicht auch darin begründet das man mir nicht die Arbeitsmittel an die Hand gibt die ich bräuchte um schneller zu sein. Oder es liegt ganz einfach daran, das Komponenten von dritten nicht das tun was sie tun sollen. Aber auch da bin ich vielleicht einfach nicht schuld dran.

Das Leben ist nicht schwarz und weiß. Ich mache Fehler. Und ich sehe täglich die Fehler die Kollegen gemacht haben. Ich sehe Fehler die unvermeidlich waren. Ich sehe solche, die jemand mit mehr Kompetenz vermutlich nicht gemacht hätte. Ich sehe Leute die besser einen anderen Job machen sollten. Das alles ist für den Kunden nur schwer durchschaubar und hat sicherlich das Potenzial für ganz viel Frust. Gerade aber weil es so kompliziert und undurchschaubar ist, sollte man sich mit Schuldzuweisungen zurück halten. Man sollte sich nicht darauf verlassen das „funktioniert doch“ auch immer gleichbedeutend mit „tut was es soll und das so gut es kann“ ist. Man sollte nicht annehmen das alles was man Zuhause macht, in der Firma den gleichen Effekt hat. Man sollte seine eigenen Kompetenzen begreifen und akzeptieren können. Ich gehe auch zum Arzt wenn ich eine Diagnose brauche. Und ich sitze dann nicht dort und diskutiere darüber weil ich online irgendwas gegenteiliges gelesen habe. Ich habe Vertrauen in die Menschen an die ich mich hilfesuchend wende. Manchmal brauchen mich diese Menschen um ihr Leben zu finanzieren – meistens nicht. Niemals würde ich also jemanden der für mich arbeitet, das Gefühl geben das er dankbar sein darf dafür! Ich muss demjenigen Respekt entgegen bringen. Ich muss akzeptieren das er etwas tut von dem ich keine Ahnung habe und mich raushalten bis ich gefragt werde. Ich muss das Ergebnis der Arbeit akzeptieren. Wenn ich das bekommen habe was ich wollte, muss ich meine Rechnung bezahlen. Wenn ich nicht weiß was ich will und trotzdem irgendwas beauftrage, sollte ich an diesem Mißstand etwas tun! Das kann ich aber nur alleine. Diese Art des Vorgehens ist nicht produktiv. Zuerst kommt die Planung. Wenn ich nicht weiß was ich will, lasse ich mich beraten. Wenn sich die Ziele während der Umsetzung ändern, spreche ich das ab. Ich gehe niemals davon aus, das jemand der für mich arbeitet erahnen kann was ich als nächstes vor habe.
Etwas das mir auch immer unverständlich bleiben wird ist folgendes: Mal angenommen bei uns in der Firma kommt der Maler. Er bespricht mit der Geschäftsführung die Wandfarbe und macht anschließend seinen Job. Was sollte mich also dazu bringen, den Maler während er arbeitet Tipps zu geben? Oder anschließend mit der Spritzpistole mein Büro zu optimieren? Oder nachdem alles erledigt ist zum Maler zu gehen und zu sagen das ich mit der Farbe unzufrieden bin und er persönlich da jetzt aber Mist gebaut hat? Vielleicht ist Pink nicht hübsch. Aber nicht der Maler hat das eigenständig beschlossen. Es war der Auftraggeber. An den muss ich mich wenden. Es hilft also kein Stück wenn ich nun täglich den Maler anrufe und mich über Kopfschmerzen und Übelkeit beklage. Stattdessen sollte ich versuchen, zusammen mit der Geschäftsführung und dem Maler einen Weg zu finden, wie ich meine Arbeitsumgebung produktiver gestalten kann…

Ein bisschen mehr Respekt untereinander. Ein bisschen mehr Achtsamkeit was die eigenen Kompetenzen angeht. Realistisch bleiben – 10 Minuten sind nun mal einfach keine halbe Stunde! Wenn man das ein bisschen mehr berücksichtigt, kommt man eigentlich gut miteinander zurecht. Ich glaube, das würde sehr dazu beitragen das alle Beteiligten Abends entspannter auf der Couch sitzen…

Benny


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