Riecht es hier...

Meme mit Person welche den Kopf offenbar unsanft auf den Schreibtisch gelegt hat. Daneben steht ein MacBook. Überschrift lautet "HEADDESK" und unten steht: "for when a facepalm just isn't enough"

… nach Inkompetenz? Ein bisschen schon, oder?! Je nach Thema, mal mehr, mal weniger. Aber manche Sachen stinken derart nach Unfähigkeit (und möglicherweise noch anderen Dingen), dass einem schon schlecht werden könnte. Beispiele? Klar! 

1. Digitalisierung im Gesundheitswesen - vor allem die elektronische Patientenakte

Damit da keine Zweifel aufkommen - ich befürworte unbedingt die Digitalisierung im Gesundheitswesen. Wirklich! Eine kluge Digitalisierung von diesem oder jenem Prozess wäre für Millionen eine erhebliche Verbesserung. Das haben wir in Deutschland aber eben nicht gemacht. Wir haben - in lächerlichen 20 Jahren maybe - ein Datengrab für PDFs geschaffen. Respekt. Und das richten wir auch zwangsweise ein - aber nur für die armen Leute, die gesetzlich krankenversichert sind. Alle anderen dürfen frei entscheiden, was mit ihren Gesundheitsdaten passiert. Klar, gesetzlich versicherte Menschen können sich bewusst gegen die ePA entscheiden. Und sie könnten sie auch nutzen und gezielt Berechtigungen für die Daten vergeben, die dort abgelegt werden. Könnten sie, wenn sie dazu fähig sind. Sind aber eben viele Menschen nicht. Ich weiß dass das für viele unvorstellbar ist. Kein Handy zu haben. Nicht die kognitiven Fähigkeiten zu haben, eine absurd komplizierte App zu bedienen oder die Tragweite der entsprechenden Einstellungen zu verstehen. Oder auch nur zu wissen, dass die eigenen Gesundheitsdaten irgendwann von Tech-Firmen für die Entwicklung von Produkten genutzt werden. 
Und ich spreche hier noch nicht von den gegebenenfalls individuellen Risiken, die eine zentrale und im besten deutschen Stil bürokratisierte Speicherung mit sich bringt. Würde man noch Zeit aufbringen, um den Zwangsnutzenden diese Risiken zu erläutern, hätten die Arztpraxen vermutlich keine Gelegenheit mehr, jemanden zu behandeln. Die Arztpraxen? 🤔 Ja, die Arztpraxen. Obwohl die ePA bei den Krankenkassen liegt, dürfen die Praxen die Patientinnen von den Vorteilen überzeugen und ihnen den Umgang damit nahebringen. Also, wenigsten meine Krankenkasse - immerhin eine der größten in Deutschland - hat sich bisher keine Mühe gegeben, mir die ePA und deren Vorzüge anzupreisen oder gar die Nutzung zu erläutern. Ich solle halt die entsprechende App installieren und dann würde schon alles gut werden. 
Jetzt ist es so, dass ich so mittelalt bin. Also alt genug, um die komplett analoge Welt kennengelernt, den Aufstieg des Digitalen aber bewusst erlebt zu haben. Und deswegen misstraue ich Heilsversprechen von Apps die alle meine Probleme lösen. Gerade wenn mir die “Probleme” gar nicht bewusst waren, und die Lösung irgendwas mit meinen Gesundheitsdaten zu tun hat. Es gibt in der IT keine Sicherheit! Es gibt immer nur den Versuch, die Hürden für einen erfolgreichen Angriff so hoch zu legen, dass es sich schlicht nicht lohnt. Aber gerade in Zeiten von politisch motivierter Destabilisation durch fremde Regierungen, spielen Budgetgrenzen der Angreifer wohl eher keine Rolle mehr. Und die braucht es vielleicht nicht einmal. Grandiosen Ideen wie eine Anonymisierung und Weitergabe an eine zentrale Stelle sei Dank. 

Was soll ich sagen… Wir brauchen unbedingt ein Gesundheitswesen, dass das Digitale dazu nutzt, den Menschen wirklich einen Mehrwert zu bieten. Aber in Deutschland haben wir diese Tradition, alles solange wirtschaftlichen und bürokratischen Prozessen zu unterwerfen, bis nichts mehr von der eigentlich guten Idee übrig ist. Und etwas dabei herauskommt, dass sich nicht um Sicherheit und Datenschutz kümmert. Oder um die Einschränkungen von Menschen, die nicht dem vermuteten Durchschnitt entsprechen. 

2. Digitalisierung in Behörden - egal welcher

Müsste man jetzt für in Deutschland lebende Menschen eigentlich nichts zu schreiben. In Deutschland gilt ein Verwaltungsvorgang als digitalisiert, wenn die Bürgerin ihre Daten auf einer Webseite einträgt und in der Behörde ein Blatt aus dem Drucker fällt (YT LINK! alt. hier in ernsthaft beim ZDF). Die sich darauf befindlichen Informationen werden dann wiederum von jemandem in der Behörde in das jeweilige Backendsystem eingegeben. Manuell. In ein System, das vermutlich nur im Internet Explorer funktioniert. 
Und wer dachte, Ärzte würden ihre Faxgeräte lieben, der hat noch nie die Verzweiflung in den Augen der Menschen in einer Behörde gesehen, die eilig Daten an eine andere Behörde schicken müssen. Ohne Fax. In ein anderes Bundesland. Freitags um 12 Uhr. 🤣
Was vielleicht ganz witzig klingt, kann ernsthafte Probleme verursachen, wenn es sich bei der Behörde zum Beispiel um Polizei oder Justiz handelt. Kein Stück besser sieht es gerade auch in dem Bereich aus, wenn normalsterbliche Personen versuchen, Digitales an die Polizei zu übergeben. Mein liebstes Beispiel dafür (Stand fast 2025 Jahre nach Christi Geburt): Dem Sachbearbeiter bei der Polizei NRW ein Video vom iPhone schicken. Solche Videos werden (nicht nur beim iPhone) als mp4 Container gespeichert. Jetzt ist man bei der Polizei NRW der festen Überzeugung, mp4 Container sind eine potentielle Gefahrenquelle. Also werden E-Mails mit entsprechenden Anhängen einfach direkt am Gateway geschreddert. Kann man natürlich so machen… Aber dann gibt’s halt keine Videos als Beweismittel. Jetzt kann es sein, dass die Behörde, bei der jemand die Daten abkippen will, für das Problem einen alternativen Weg geschaffen hat. Der ist dann aber ziemlich sicher von den Bürozeiten und einzelnen Personen abhängig. Ich will jetzt gar nicht darauf eingehen, warum das so ist oder ob es Sinn macht oder nicht. Das wirklich dämliche daran ist, dass man sich auch hier wieder maximal bemüht zu haben scheint, eben keine Lösung mitzudenken. Und auch das ist typisch Deutsch. Aus - nicht immer - nachvollziehbaren  Gründen wird etwas eingestampft. Ohne auch nur eine Ahnung davon zu haben, wie es weitergehen soll. Und in diesem Zustand verharrt man dann und hofft, dass das Problem von alleine verschwindet. 
Und so kommen wir zu der Frage, warum niemand etwas dagegen tut. Warum gibt es so viele offensichtliche Baustellen? Klar, zu wenig Geld, zu geringe Priorität, zu wenig Verständnis auf der Entscheidungsebene. Und da schließt sich der Kreis mit der eingangs vermuteten Inkompetenz. Alles menschliches Versagen. Wer der IT und der Digitalisierung in Behörden nicht die höchste Priorität einräumt, der ist inkompetent. Man kann nicht von Bürokratieabbau reden und den ganzen Kram nicht automatisch digitalisieren. Und es erscheint mir auch nicht plausibel, dass sich heute ohne eine belastbare IT eine öffentliche Verwaltung bauen lässt, mit der Menschen “gerne” interagieren. Und trotzdem verändert sich nichts. Mann hat lediglich Millionen Euro in sinnbefreiten Leuchturmprojekte verbrannt. Bei den meisten dürfte nichts außer der Lehre geblieben sein, dass öffentliche Verwaltung keine IT Projekte kann. Aber wie das in Behörden oft so ist, scheint es keinen direkten Verantwortlichen (ja ja, ich gendere hier ziemlich sicher sehr richtig) zu geben. Erstaunlich… 

3. Umwelt- und Klimaschutz

Moment! Nein, das ist kein Punkt, der in diese Aufzählung gehört. Wer heute noch Entscheidungen trifft die sich gegen die Lebensgrundlage einer jeden Spezies auf diesem Planeten richtet, der ist nicht inkompetent. Das mag vor 20 Jahren noch gepasst haben. Aber wer heute Entscheidungen trifft, die dazu beitragen, dass der Klimawandel und die Umweltzerstörung fortschreiten, der ist nur egoistisch. Wer solche Entscheidungen trifft, dem ist egal, was in 50 oder 100 Jahren ist. Vermutlich ist ihm sogar egal, was in zehn Jahren ist, solange er daran glauben kann, dass SUV und großes Haus ausreichend Schutz bieten.
Nein, das ist kein Punkt für diese Liste. Das ist keine Inkompetenz, sondern Wahnsinn. 

4. Umgang von Regierungen mit der Demokratie

Jaaaaa - das ist ganz sicher Inkompetenz! Wenn dich das erfolgreichste System zur Regelung von sozialen Gruppen und deren Interaktionen auf eine Spitzenposition innerhalb einer solchen Gruppe gebracht hat, dann tritt es nicht mit Füßen du Pfosten!
Politik in Deutschland war jetzt nie sonderlich aufregend oder transparent. Möglicherweise sind das die Gründe, warum wir in der Weltgeschichte Einzigartiges erreicht haben. Also friedlich. Aber in den letzten Jahrzehnten hat sich auch die Politik verändert. Und sie hat sich dabei leider viel zu sehr der verzerrten Realität angepasst, welche heute mehr und mehr von den Menschen akzeptiert wird. Die Realität, welche durch TikTok und Insta definiert wird. Die Realität, die Algorithmen für uns zusammen bauen und welche nicht selten ausschließlich darauf ausgerichtet ist, unsere Aufmerksamkeit maximal lange auf etwas zu richten, mit dem jemand anderes viel Geld verdient. Und dieser Realität passt sich die Politik an. Sie beschäftigt sich immer und immer wieder mit Nebensächlichkeiten, welche üblicherweise irgendwen sehr, sehr reich machen. Die Themen, welche wirklich relevant für die Menschen wären, ignoriert man, weil man damit keine oder nur negative Aufmerksamkeit generieren kann. Und die, die über die Themenwahl zu entscheiden haben, oder wenigstens Einfluss auf die Deutungshoheit eines Thema nehmen könnten, machen einfach nichts. Und sollte doch mal was kommen, ist es meistens von Bullshit nicht zu unterscheiden. Und das ist Inkompetenz! Und eine gefährliche dazu. Die Menschen verlieren in einem beängstigenden Umfang ihr Vertrauen in die Politik und die Demokratie. Die Welt verändert sich rasend schnell und selten zum Besseren. Und unsere Politik ist zu inkompetent um die Menschen an die Hand zu nehmen und ihnen das Gefühl zu geben, das man gemeinsam einen Weg durch diesen Scheiß findet. Stattdessen verfällt man in Intransparenz und beschäftigt sich lieber mit sich selbst. Oder nutzt Social Media um Ablenkungsweißwürste am laufenden Meter zu veröffentlichen. Ich schaue mir das an - also nicht die Weißwürste  - und verstehe nicht, was da passiert. Warum überlässt man so offensichtlich den Extremisten, das Vertrauen der Menschen zurückzugewinnen? Warum überlässt man den äußersten Rändern des politischen Spektrums die Gestaltung des Meinungsbildes? Warum kann Politik in einer Welt, die zunehmend komplexer wird, nicht mit einfacher Sprache reagieren? Warum ist unsere Politik so anfällig dafür, sich von offensichtlichen Ablenkungen einnehmen zu lassen? Die Welt brennt (leider nicht nur metaphorisch) und unsere Politik glaubt, in einer Welt, in der sich immer mehr einen starken Führer wünschen, wäre Eigenverantwortung das Mittel der Wahl, um einfach jedes Problem zu lösen. Ihr wälzt die Verantwortung auf die ab, die euch gewählt haben, ihr Dödel! Wir sollen richtig wählen, möglichst viel sparen damit wir die Umwelt nicht zu sehr belasten, unsere Zeit und unser Geld aufbringen, um soziale Arbeit zu leisten. Wir sollen heiraten, Kinder kriegen und rundum produktive Mitglieder der Gesellschaft sein. 

Dabei macht ihr euch unwählbar und scheint alles geben zu wollen, damit die Menschen lieber Extremisten ihre Stimme geben. Oder gleich ganz Zuhause bleiben. Und derweil erzählt der mystische “Markt” den Menschen, dass sie nur etwas wert sind, wenn sie möglichst viel kaufen. Kaufen - egal was. Hauptsache viel davon. Und in den Urlaub fliegen. Man hat nicht gelebt, wenn man nicht mindestens zweimal im Jahr um die halbe Welt fliegt, um dann fünf Tage in einem schlechten Hotel zu sitzen. Und was ist besser als eine sinnfreie Flugreise? Natürlich mit dem Flugzeug zur Kreuzfahrt fliegen. Und die Zeit zwischen den Urlauben fahren wir mit dem geleasten SUV von Einkaufszentrum zu Einkaufszentrum und konsumieren. Leider bleibt da bei vielen kaum noch Geld oder Zeit übrig, um etwas zu spenden oder ehrenamtlich tätig zu sein. Das ist schade, denn offensichtlich basiert ein wesentlicher Teil der sozialen Arbeit auf der Leistung von ehrenamtlichen Bürgern. Einer Arbeit, die vom Staat an vielen Stellen überhaupt nicht mehr gefördert wird. Aber wer braucht schon ehrenamtliche soziale Arbeit, wenn doch alle in Familienstrukturen versorgt sind?! Vater, Mutter (verheiratet) und 1,35 Kinder. Ach? Damit sind nicht alle zufrieden? Tja, das ist Pech, denn am Ende ist das, dass einzige Familienmodell, das vollumfänglich durch den Staat gefördert und geschützt ist. Alle anderen müssen halt zusehen. 
Was ihr erzählt und was ihr von den Menschen erwartet, passt nicht zusammen, liebe Politiker. Die Menschen können und wollen euch nicht mehr folgen - und offenbar seid ihr sogar zu inkompetent, um das zu erkennen. 

This article was updated on 24 Dez. 2024